der pförtner januarius

er blickt nicht auf die vorüberziehenden
ob seiner bestimmung
morgens die flügel auszuspannen
abends die lider zu schließen
allen sterblichen gleich





neujahr

frost durchsticht die poren
bricht durch ziegelreste
friert den klaffenden himmel ein

wir wetzen die schießscharten
nicht aus
bieten dem winter einzug
in hirne aus stahl





schuldbrief

setz dich hin und schreibe siebzig
für eine ladung gelber tulpen
aus dem seefahrerland
billiger wird der frühling nicht

wir haben nichts zu verschenken
keinen begrüßungsstrauß
geschweige denn ein zweites hemd
aus übersee

inmitten der blumen meer
schießt das kapital ins kraut
wir lernen aus
schuld war nie ein enkel der zeit





februa

sie trug kein kleid feiner damen
ein ziegenfell und nichts darunter
das der fantasie
schwingen verleihen mochte

in hehren nächten
wusch sie sich und ihre
zweite haut
göttern und kaiser entzogen
den blicken feister kinder
der dekadenz

mit dem letzten neumond
zog sie fort
die toten gründer roms
nackt im arm





trumpf

als er in den big apple biss
hofften sie er ließe ihnen
die kerne
doch er grimassierte
dass ein apfel faul sein könne
stand nicht im skript

der redenschreiber wurde gefeuert: unvermögen
damit rechnet dear president nicht





geltendes recht

das gewicht der stimmen
verteilt
nicht alle wiegen gleich

man gähnt und reibt sich die augen
wir haben ein recht
auf schlaf
und ein böses erwachen





Mahnmal für Opfer des Nationalsozialismus

in St. Pölten, Detail

                                                                                 



wolfsrudel

als wären sie kinder
in die ewig gleichen kleider gesteckt
selten gewechselte unterhosen
mit kotstreifen
die nase trügt nicht
es riecht
nach fäulnis und scheiße
im teutonischen wald
man schürt das feuer
frischt die erinnerung auf
und dann
ab heute wird nicht mehr gespielt
weit weg
jenseits der thermopylen
hausen graue wölfe





martius

die arena ist eröffnet
doch dem kämpfer
steht das zögern im gesicht
vor dem unbekannten feind
ein schild und kein schwert
gegen den gegner im inneren
der erste hieb
geführt von unsichtbarer hand
sitzt schlecht
ein zweiter nicht minder
dem möglichen sieger
spendet niemand applaus
die ränge sind leer





europa am strand

um das mädchen am strand
scharen sich brillenträger im nadelstreif
man gestikuliert und verhandelt
die preise für sand sind im steigen

einer nach dem anderen tritt aus
jeder macht sein geschäft
schnürt den gürtel weniger eng
die prinzessin im sand sieht nicht hin

sie rücken zusammen
kurzsichtigkeit macht vertraut
wir bauen europa als sandburg
die geliebte des zeus blickt stier aufs meer





verlust

frau
mit nacktem schleier
schritte auf meer
in ihre bucht
am rande der tränen
keiner teilt das salzige nass
zu halber heimat
kein unbeschuhter fuß betastet
die leere





aprilia


am ersten tag
stürzte luzifer
vom firmament
da war das jahr
schon fortgeschritten
der grasmond warf
gelbe kugeln
aus der bahn
ferne kontinente
hockten im sandschatten
auf einem flüchtigen horizont
balancierten kinder
als ob ein schwebebalken
bessere aussicht böte





kapern

fremdsprachige hände säubern teller
von kapernstängeln und olivenkernen
halbleere gläser geben zeugnis
es war ein üppiges fest

man wog worte wie wurstblätter
probierte geßlerhüte aller konfektionsgrößen
kahle wände warfen gegröhle
zurück in den saal

essiggeruch steigt vom getäfelten boden
längst nötig gewesen den mob zu ergreifen
bevor der ratssitz gekapert wird
einer vergißt immer seinen hut





graumohnnächte

daunenstimme
fort
mit wasserkindern
seidenfahrrad
tannengeweih
in fremde
schwanenhäuser
gezogen
traumkogel
vielleicht
unter dem mangelbaum
in nächten
aus grauem mohn
und schlafsamen





mai

vulkane kegeln
um den großen erdpreis
wurzelströme
unter lavagöttern
schnellend
kauert kugelfrucht
rostglühtig
im maienzweig





kratzfüße

als brennte der boden
unter der sohle
zwingt angewinkeltes bein
den rücken krumm
wieder schweigen zum gebot
zurechtstreichen des haares
mit bloßer hand





wahlurne

zur beisetzung der wahlurne
nach geschlagener schlacht
stimmt eine kapelle
ihre hymne an
wir kamen noch einmal davon





inzwischen

abbruchreife verunsicherung
gelber widerpart blütenstände
amselpaare halb zaungäste
reglos vor dem sturm
schrumpft inzwischen
die zeit
für den neubau
von ameisenstraßen